Aufruf zur Rettung des größten Dentalmuseums
31.12.2018
Zu Tode ignoriert: Deutschlands einziges Dentalhistorisches Museum. Bekenntnisschwache Motivationslosigkeit eines Berufsstands.
Veröffentlichung mit freundlicher Genehmigung des Dentalhistorischen Museums Zschadraß.
Als McSwacz am 17.Oktober 2018 die Leipziger Volkszeitung aufschlug, stand das Tagesprogramm sofort fest: Das Dentalhistorische Museum in Zschadraß bei Colditz zu besuchen, bevor es zum Jahresende geschlossen wird. In einem herrlichen Park der Diakonie gelegen, auf halbem Wege zwischen Leipzig und Dresden, residiert das Museum im ehemaligen "Klubhaus", einem der herrlichen, aber dringend ertüchtigungsbedürftigen Backsteingebäude dort.
Zahntechnikermeister Andreas Haesler und seine ebenfalls voll engagierte Ehefrau haben über viele Jahre Geld, Zeit und Engagement in ein Projekt gesteckt, das an widrigen Umständen zu scheitern droht. Dacherneuerung etc. und Personal sind nicht mehr zu finanzieren. Jährlich 8000 Euro an Nebenkosten muss der Verein allein für die untere Etage des Museums berappen. Bei 2000 Besuchern und 2850 Euro über Beiträge der Fördermitglieder pro Jahr ein ungleiches Verhältnis, findet der Museumsinitiator, auf dessen 1420 Bettelbriefe für die provisorische Dachreparatur noch nicht mal das Porto hereinkam.
Dabei präsentiert das Museum mit einer sehr eindrucksvollen Ausstellung die Geschichte der Zahnärzte, Zahntechniker, Zahnhygiene, Kunst- und Kulturgeschichte auf diesem Gebiet. Das Archiv Quadriga Dentaria beherbergt die weltweit umfangreichste Sammlung, bewahrt dieses Erbe für wissenschaftliche Aufarbeitungen und öffentliche Nutzung. Die DZW hatte ausführlich berichtet (https://www.dzw.de/dentalmuseum-skurrile-schaetze-der-zahnmedizin). Zusammengetragen vom Zahntechnikermeister Andreas Haesler, gehören Werke aus 170 Bibliotheken aus dem In- und Ausland ebenfalls dazu, wie die Bestände des Dentalhistorischen Institutes in Wien. Kleinere Sammlungen gibt es zwar an einigen Universitäten, von den acht rein zahnmedizinischen Kollektionen hat keine mehr als 250 m². In Colditz präsentiert Haesler Exponate auf 300 Quadratmetern, was nur ein Bruchteil der über eine halbe Million Exponate ist, sechsmal mehr als in Utrecht. Während anderswo im Schnitt etwa fünf Prozent des Wissens rund um den Zahn lagerten, seien es allein in Zschadraß 80 Prozent.
Selbst das National Museum of Dentistry in Baltimore und das British Dental Museum und andere kommen an den Umfang der sächsischen Sammlung nicht heran.
Eine Polemik: Identität ohne historische Sinnbildung
Ich war immer stolz darauf, Zahnmedizin zu betreiben und dies angesichts der rasanten technologischen Entwicklungen der letzten Jahrzehnte stets mit Respekt und Demut vor den Leistungen unserer oft miserabel pekuniär und gesellschaftlich honorierten Vorgänger. Dieser Respekt gebietet, sich aktuell darüber aufzuregen, wie verantwortungslos mit dem engagiert bewahrten (Rest)Erbe eines ganzen Berufszweigs umgegangen wird. Angefangen bei uns Zahnärzten, unseren Verbänden, der Dentalbranche bis hin zu den Universitäten, von Ausnahmen abgesehen.
Denn: Kulturelles Erbe hilft lernen. Es vermittelt Wissen aus vergangener Zeit, sei es Technologie, Materialien, Design, Handwerk, Wirtschaft oder soziale Verhältnisse. Es lehrt uns Wertschätzung ebenso unserer Vorgänger wie die seinerzeitigen Lebens - und Arbeitsumstände. Leichtfertigkeit im Umgang damit führt zu Vergessen oder der arroganter Fehleinschätzung der eigenen Fertigkeiten. Dentalinstrumente, Einheiten, Gegenstände etc. dokumentieren nicht nur die Praxis der Zahnheilkunde in einer Art verstaubtem Gruselkabinetts, sie stehen auch für handwerkliche Fertigkeiten im sozialen Kontext der Medizin- und Kulturgeschichte. Dies ist umso bemerkenswerter als der Berufsstand erst seit kurzer Zeit akademische Anerkennung gefunden hat, weshalb die seinerzeitigen Leistungen nachträglich nicht hoch genug einzuschätzen sind. Das Museum ist ein wertvoller Wissensschatz für uns und unsere nächsten Generationen. Engagement um Bewahrung und Wissensweitergabe wie das Andreas Haeslers und seiner Helferinnen in diesem "Louvre" der Zahnmedizin - auch seitens der öffentlichen Hände - mit Undankbarkeit und Nichtbeachtung zu bestrafen, ist nichts weniger als verantwortungslos.
Rettung für das Museum?
Verantwortung nur der Stadt Colditz und dem Freistaat Sachsen anzulasten und zu überlassen ist nicht zielführend, auch wenn deren Handlungsbereitschaft einen Anstoß verträgt.
Immerhin gibt es etwa ca. 71.000 erwerbstätige Zahnärzte, 200 Dentalfirmen, 9.828 Dentallabore in Deutschland, von denen viele auch soziale und andere Projekte fördern, den Freien Verband und andere Verbände und Organisationen. Auch 17 kassenzahnärztliche Vereinigungen, die kassenzahnärztliche Bundesvereinigung und die Bundeszahnärztekammer.
Aber: Lediglich die Kassenzahnärztliche Vereinigung Sachsen-Anhalt und die Kassenzahnärztliche Vereinigung Bayern haben neben der Dr. Walser Dental GmbH, der Bimler Labor KG Wiesbaden und einer Privatperson eine Fördermitgliedschaft gezeichnet. Nach einem Abstecher der in Leipzig tagenden Bundeszahnärztekammer in das Museum kam von dort außer einem Dankesschreiben - Nichts! Das ist ein beschämendes Bekenntnis zur eigenen Geschichte.
Wenn nur ein Teil der Zahnärzte einen kleinen Betrag spendet, alle kassenzahnärztlichen Vereinigungen Fördermitglied werden, Dentalfirmen und Labore als Sponsoren helfen, bei Fortbildungen und in Publikationen auf das Museum und seine Probleme hingewiesen wird, dann wird nicht nur dieses Kleinod der Zahnheilkunde gerettet. Man trägt auch dazu bei, dass in einem strukturschwachen, aber landschaftlich reizvollen Raum Arbeitsplätze erhalten oder geschaffen werden. Dass Menschen und Museen nicht nur in einer Großstadt eine Perspektive haben, sondern gerade in der ländlichen Mitte Deutschlands stolz sein können, an einer großartigen Sache beteiligt zu sein, die es hierzulande und weltweit ansonsten nirgendwo gibt.
Foto und Text: Dentalhistorisches Museum Zschadraß
Überschrift: Dr. Walser Dental
Siehe auch: Spende der Dr. Walser Dental für weltweit einzigartiges Dentalmuseum
Und: Weitere Förderung des weltgrößten Dentalmuseums durch Dr. Walser Dental